Lady Susan arbeitet seit 10 Jahren als Domina und betreibt ein eigenes Studio in Berlin-Wedding. Seit November 2020 darf sie ihre Tätigkeit wegen des Corona-Lockdowns nicht mehr ausüben. Ein Gespräch über sexuelle Stigmata, Fake-Anrufe des Gesundheitsamtes und eine immer noch ungewisse Zukunft.
Seit November sind sexuelle Einrichtungen in ganz Deutschland geschlossen. Auch Dein Domina-Studio in Berlin-Wedding ist davon betroffen. Trotzdem bist Du fast jeden Tag dort. Warum?
Ich biete in meinem Studio mittlerweile Cam Sessions an – und erledige viele bürokratische Dinge, die man als Selbstständige einfach machen muss. Außerdem schaue ich, ob mit den Räumen alles in Ordnung ist. Im ersten Lockdown hatte ich einen großen Wasserschaden. Stell dir vor, ich wäre ein paar Wochen nicht im Studio gewesen – der Schaden wäre enorm gewesen. Wegen des Lockdowns darf ich natürlich keine Kunden empfangen. Das geht derzeit nur online per Webcam.
Kann das Online Business deine Domina-Tätigkeit im Studio ersetzen?
Das geht nicht 1:1. Die Webcam-Einnahmen entsprechen bloß einem Bruchteil von dem, was ich sonst eingenommen habe. Damit sind keine großen Sprünge zu machen und die Kosten laufen ja trotzdem weiter. Für viele meiner Stammkunden ist eine Session per Webcam sowieso nichts – denn zu Hause ist ja oft auch die eigene Ehefrau anwesend.
Du hast im letzten Jahr für Dein Studio ein Hygiene-Konzept ausgearbeitet. Wie sah das aus?
Als Domina bin ich es gewohnt mit Desinfektionsmitteln zu arbeiten. Schon vor Corona wurden nach den Sessions alle Flächen desinfiziert und die Räume gut durchgelüftet. Für mich hat sich nicht viel verändert – außer, dass ich die Anwesenheit der Gäste dokumentieren und selbst eine Maske tragen musste. Aber das war überhaupt kein Problem; Hygiene spielt in meiner Welt eine große Rolle. Ich arbeite prinzipiell mit Einweghandschuhen. Alles, was bei meinen Kunden eingeführt wird, wird vorher gründlich desinfiziert. Und wenn ich meine Peitschen einsetze, halte ich ausreichend Abstand.
Dennoch ist dein Studio seit einem halben Jahr geschlossen. Hast du es in dieser Zeit mal bereut Domina geworden zu sein?
Nein, nie. Ich liebe das, was ich tue und die Corona-Krise konnte ja niemand in der Art vorhersehen. Mir geht es so wie vielen EinzelhändlerInnen. Solange die Corona-Hilfen laufen und ich mein Studio halten kann, komme ich schon irgendwie klar. Schwierig wird es erst, wenn es irgendwann keine Hilfen mehr geben sollte.
Was vermisst Du am meisten an Deinem Beruf?
Ganz klar: Den Spaß! Ich bin ja nicht Domina geworden, weil ich sonst nichts anderes machen konnte – sondern weil ich richtig Bock auf den Job hatte. Mit meinem eigenen Studio habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt. Meine beste Freundin sagt manchmal: “Wenn es quiekt und schreit, dann bist du glücklich.” Damit hat sie wohl recht.
Stört es dich, dass dein Domina-Studio vom Gesetzgeber mit Prostitutionsstätten verglichen wird?
Ich finde es schade, dass alles in einen Topf geworfen wird. Ein Laufhaus hat eine viel höhere Fluktuationsrate. In meinem Studio bin ich mit meinem Gast alleine – und ich empfange auch nicht fünfzig Gäste pro Tag, sondern maximal vier bis fünf. Aber ich bin den PolitikerInnen nicht böse. Es fehlt ihnen wahrscheinlich einfach an Zeit, um diese Unterscheidungen treffen zu können.
Manche Politiker fordern das grundsätzliche Verbot der Prostitution.
Davon halte ich absolut nichts. Natürlich bin ich gegen Zwang und für eine Stärkung der Rechte der Frauen. Darüber müssen wir gar nicht diskutieren. Aber sexuelle Prostitution verbieten zu lassen, bedeutet nicht, dass es sie nicht mehr gibt. Sie wird irgendwo im Dunkeln stattfinden. Ohne Kontrolle, ohne Regulation. Aber ganz sicher mit mehr Ausbeutung.
Viele sexuelle Berufe sind mit einem Stigma behaftet. Welche Vorurteile begegnen Dir als Domina im Alltag?
Viele denken, ich würde nur deshalb als Domina arbeiten, weil ich sonst nichts anderes drauf hätte. Aber das stimmt nicht. Ich habe eine ganz normale Ausbildung absolviert, einige Jahre in einer Kanzlei gearbeitet und mich dann sehr bewusst dafür entschieden, als Domina mein Geld zu verdienen. Manche Menschen werfen mir auch vor, eine Männerhasserin zu sein. Das finde ich lustig, weil das Gegenteil ist ja der Fall. Wen ich mag, den schlage ich am liebsten. Manchmal sage ich auch: Ich bin wie der Weihnachtsmann, nur ohne Bart und mit weniger Bauch. Ich mache die Männer glücklich.
Wie bewertest du die Corona-Hilfen für Selbstständige?
Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden und will mich nicht beklagen. Die Soforthilfen im letzten Jahr haben den größten Druck rausgenommen. Und grundsätzlich finde ich es prima, dass eine Domina genauso Anspruch auf Hilfsgelder hat, wie ein Restaurantbesitzer oder ein Handwerker. Zumindest wenn sie ordentlich beim Finanzamt registriert ist.
Die ersten Geschäfte durften mittlerweile wieder öffnen. Gibt es jetzt auch mehr Anfragen in Deinem Studio?
Es stimmt schon: Mit der Öffnung des Einzelhandels sind auch die Anfragen in meinem Studio gestiegen. Wahrscheinlich aus Unsicherheit. Viele Menschen durchschauen die aktuellen Corona-Regeln einfach nicht. Ich erhalte viele Anrufe von Männern, die mich im Internet auf meiner Website oder auf beliebten Escort-Plattformen wie Erobella finden und gerne treffen möchten. Denen erkläre ich höflich, warum das leider noch nicht möglich ist. Manchen Typen ist Corona aber auch scheißegal. Die weise ich unverzüglich auf die hohen Bußgelder hin, die nicht nur mir, sondern auch ihnen drohen. Dann herrscht ganz schnell Ruhe. Manchmal ruft auch das Gesundheitsamt an.
Das Gesundheitsamt?
Ich denke, die wollen einfach prüfen, ob ich mich an die aktuellen Regeln halte. Es gibt da draußen viele schwarze Schafe. Aber man hört sofort raus, wenn das Gesundheitsamt anruft und nach einem Termin “fragt”. Mit einem “Schönen guten Tag, ich möchte gerne mal einen Termin vereinbaren” meldet sich kein Kunde.
Wagen wir einen Blick nach vorn: Wie wird es mit Deiner Arbeit als Domina nach dem Lockdown weitergehen?
Im Prinzip kann alles passieren. Nach dem Lockdown im letzten Jahr waren viele Kunden sehr vorsichtig. Als ich mein Studio wieder öffnen durfte, hatte ich in den ersten drei Wochen fast nichts zu tun. Dann gab es einen kleinen Boom und nach einiger Zeit hatte sich alles wieder auf ein normales Niveau eingependelt. Ich erwarte, dass es in diesem Jahr ähnlich sein wird. Aber die Frage ist natürlich, wie viele Betriebe die Krise überleben werden. Die ersten Berliner SM-Studios haben ihre Türen schon geschlossen – leider für immer, wie es scheint.